Kölner Express vom 28.08.2000
Deutschland lacht über FC-Versager
Von Arno Schmitz
exp Magdeburg - "Was hier geboten
wird, hat nichts mit professionellem Fußball zu tun. Das ist
eine Blamage für den FC. Die Spieler wissen scheinbar nicht,
wen sie vertreten." Der Mann, der das sagt, ist 79 Jahre alt.
In seinen blauen Augen ist mehr Feuer als in denen der Berufsfußballer
des 1.FC Köln. Und der Mann weiß auch, wovon er spricht
- als Trainer führte Heinz Krügel den 1.FC Magdeburg zu
drei Meistertiteln und drei Pokalsiegen in der ehemaligen DDR, und
gewann 1974 sogar den Europacup der Pokalsieger. Als Krügel von
der Blamage spricht ist Halbzeit, und "sein" FCM - heute
nur noch Oberliga - ist gerade dabei, den FC zu demütigen.
Schon nach drei Minuten war zu sehen, dass Köln
an diesem Tag lieber den SC West hätte schicken sollen: Manndecker
Jens Keller, auch in den folgenden 87 Minuten mit einer unterirdischen
Leistung, reißt David Mydlo im Strafraum um - den Elfer verwandelt
Armando Zani zum 1:0. Auch der schnelle Ausgleich von Scherz ändert
nichts an der völligen Desorientierung der Lienen-Truppe. Nur
drei Minuten später schlägt es wieder ein im FC-Kasten:
Diesmal lässt Dirk Hannemann mit einer schnellen Drehung Keller
ganz alt aussehen und trifft dann frei vor Pröll zum 2:1.
Kein Zweikampf, kein Spielaufbau, keine Ordnung,
keine Abwehr, kein Mittelfeld, kein Sturm - einfach gar nichts. Trotzdem
ist zur Halbzeit noch alles drin für den FC, weil Mydlo in der
45.Minute völlig freistehend an Pröll scheitert. Und deshalb
will sich Erfolgscoach Krügel auch noch nicht festlegen: "Vielleicht
fangen sie sich ja noch."
Aber es wird noch schlimmer. Sofort nach dem Wiederanpfiff
nimmt das Grauen endgültig seinen Lauf. Innerhalb von zehn Minuten
darf sich Vlado Papic völlig freistehend die Ecke aussuchen -
bei 4:1 ist das Spiel für die viertklassigen (!) Magdeburger
gelaufen. Erst jetzt entschließt sich Ewald Lienen auszuwechseln,
bringt Kreuz und Kurth für Lottner und Scherz. Lienen nach dem
Spiel zum späten Zeitpunkt seines Wechsels: "Ich habe vorher
nicht gewechselt, weil es nicht an einzelnen Spielern lag, es war
heute eine Frage der Einstellung der gesamten Mannschaft."
Springer sorgt per Kopf nochmal für einen
minimalen Spannungsfaktor, doch es reicht nicht mehr für den
FC. Es wäre auch nicht verdient gewesen.
Der eingewechselte Ofodile setzt dann dem FC-Debakel
mit dem 5:2 die Krone auf.
Ganz Deutschland lacht über Frankfurt, doch
der FC hat gerade alles getoppt - schämt Euch!
Lienen tobte über den "Geißbock-Mist"
exp Magdeburg
- Kein schöner Tag für Ewald Lienen. Während des Spiels
tobte er an der Außenlinie über die unglaublichen Fehler
seiner Spieler. Aber nach dem Spiel lag der FC-Coach bei seiner Analyse
auch selbst leicht daneben: "Es gibt nichts zu beschönigen,
aber man muss auch sagen, das der Gegner heute absolut zweitligareif
gespielt hat."
Aha - spielt der FC dann nicht trotzdem noch eine
Klasse höher? Lienen außerdem: "Der Gegner war von
Beginn an aggressiver als wir in den gesamten 90 Minuten. Arweladse
musste in der Anfangsphase gleich drei gelbwürdige Fouls über
sich ergehen lassen. Es ist schon ein Klassiker, wenn wir dann für
vergleichsweise harmlose Fouls die Karten bekommen."
Naja, am Schiri hat es nun aber wirklich nicht
gelegen, auch wenn Wolfgang Stark manchmal tatsächlich etwas
daneben lag. Zum Abschluss seines Fazits dann noch ein Patzer, den
man Lienen allerdings verzeihen kann; "So haben wir verdient
gewonnen - Glückwunsch an Magdeburg."
Nicht zu entschuldigen ist die Leistung der Mannschaft,
das wissen auch die Spieler. Thomas Cichon:"Da fahren die Fans
1200 Kilometer und sehen so einen Mist." Sehr richtig. Ralf Hauptmann:"Wir
wussten, dass es hier nicht einfach wird. Aber wir haben hier wirklich
sehr viele Fehler gemacht."
Sportmanager Hannes Linßen: "Unvorstellbar!"
Und nach dieser Leistung auch schwer vorstellbar, wie der FC nächste
Woche in Freiburg bestehen will.
Kölner Stadt-Anzeiger vom 28.08.2000
Fassungslosigkeit nach der FC-Blamage
Der Anhang des Bundesligisten
ringt nach dem Debakel gegen den Viertliga-Klub um Fassung
Von Horst Müller-Manz
Magdeburg- "Unvorstellbar-einfach
unglaublich. So etwas kann man nicht fassen." Das waren die einzigen
Worte, die FC-Manager Hannes Linßen am Sonntag nachmittag um
exakt 16.56 Uhr hervorbrachte. Der sportliche Leiter-und mit ihm Geschaftsführer
Wolfgang Loos und der kreidebleiche Trainer Ewald Lienen, der wieder
einmal eine Unmenge von Zetteln vollkritzelte, aber nie seine desolate
Mannschaft auf Vordermann bringen konnte-waren geschockt, kaum fähig
ein paar zusammenhängende Sätze hervorzubringen. Die Kölner
Profikicker, denen eine satte Prämie von knapp 10000 Mark in
Aussicht gestellt worden war, hatten sang- und klanglos mit 2:5 beim
Viertligaklub 1.FC Magdeburg verloren, sich blamiert bis auf die Knochen
und waren mit einer amateurhaften Leistung gleich zum Auftakt aus
dem nationalen Pokalwettbewerb ausgeschieden. Und die Offiziellen,
die mit leeren, glasigen Blicken vor sich hinstarrten, als die knapp
8000 Fans im baufälligen Ernst-Grube-Stadion mit südländischer
Begeisterung ihre Helden feierten, hätten sich wohl am liebsten
ein Loch gebuddelt und darin vergraben.
"Ich war fürchterlich
erschrocken-so eine niveaulose Mannschaft hat das Kölner Publikum
doch nicht verdient", urteilte Heinz Krügel, Magdeburgs
früherer Meistermacher und Europapokalgewinner von 1974 (2:0
Finalsieg in Rotterdam über den AC Mailand). Und der Fußball-Weise
aus Sachsen-Anhalt, der in seiner Glanzzeit ein eisernes Regiment
führte, schimpfte munter weiter: "Heute war ein Klassenunterschied
zu erkennen - wir haben wie ein Bundesligateam gespielt und die Kölner
sahen aus wie Zwerge. Keine Einstellung, kein Aufbäumen. Die
haben wohl geglaubt, die könnten hier mit links gewinnen. Wenn
diese Spieler nur ein Fünkchen Ehre in sich hätten, dann
würden sie jetzt sofort zum Vorstand gehen und auf ein Monatsgehalt
verzichten."
Keiner, der dieses Kölner
Trauerspiel miterlebte, wird dem 79 Jahre alten Coach widersprechen.
Auch Ewald Lienen nicht, der allerdings nach einer schwachen ersten
Halbzeit ("Das hatte mit Profi-Fußball nur wenig zu tun
- fast jeder hat zehn bis fünfzehn Prozent unter seinem Limit
gespielt") bessere Ansätze, mehr Engagement und zahlreiche
gute Möglichkeiten gesehen haben wollte. Diese Ansicht zu vertreten,
grenzt an Augenwischerei, an Beschönigung eines Auftritts, den
der Großteil der mitgereisten 500 Fans als pure Frechheit empfunden
haben müssen. "Die tun mir leid", sagte denn auch Thomas
Cichon, "die fahren 1200 Kilometer und dann spielen wir so einen
Driss." Fürwahr: Schon nach wenigen Minuten nahm das Unheil
seinen Lauf: Jens Keller riss den agilen Mydlo mit beiden Händen
um und Zani verwandelte den fälligen Strafstoß zum 1:0.
Als dann Scherz per Kopf den Ausgleich besorgt hatte, keimte wenigstens
etwas Hoffnung auf. Aber Hannemann, sowie Papic(2) und Ofodile nach
dem Wechsel rissen die Kölner aus allen Pokalträumen. Ganz
schwach präsentierte sich die Abwehr - allen voran Keller, für
den eigentlich an diesem sonnig-warmen Nachmittag eine nach unten
offene Extra-Benotung hätte eingeführt werden müssen.
Scherz und Hauptmann erreichten annähernd ihr Limit, während
Torhüter Pröll keine Schuld an den fünf Treffern trägt.
Im Gegenteil: Er konnte einem leid tun, weil er mindestens ein Dutzend
Mal Kopf und Kragen und seine Gesundheit riskieren musste, damit die
Pleite nicht restlos ausufert. Im Grunde verhinderte der 20-jährige
eine zweistellige Niederlage. "Wir haben früh gemerkt, dass
sich die Kölner schwer tun" witzelte Torjäger Papic,
der 1992 unter Ewald Lienen beim MSV Duisburg kickte und kaum Verwendung
fand, "und als wir Druck gemacht haben, hatten sie kaum etwas
entgegen zu setzen." Ein schlechtes Zeugnis für Lienen und
seine Schutzbefohlenen-man darf gespannt sein, wie sie diesen Knockout
verdauen.