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Pressestimmen 2


Hamburger Morgenpost vom 03.11.

Magdeburgs Torwart Dreszer Vom Versager zum Helden

Die Nacht wurde zum Tage. Das Bier floss in Strömen. Aber begriffen hatten die Pokal-Helden des 1.FC MagdeburgdenTriumph gegen den vorher schier übermächtigen FC Bayern München auch gestern noch nicht.Nehmen wir zum Beispiel Torwart Miroslav Dreszer (35). Noch vor wenigen Tagen hatte. Ihm Trainer Eberhard Vogel unmissverständlich bedeutet - Du machst zuviele Fehler. Der Nachwuchs pennt nicht.' Der Mann hat es verstanden. In den 120 Minuten gegen die Münchner spielte er bis auf eine Ausnahme fehlerlos, musste aber auch keinen Unhaltbaren parieren. Dann das Elfmeterschießen: Den Schuss von Jens Jeremies, scharf aber nicht sonderlich platziert, hätte auch der begabte Fünftliga-Keeper vom SC Victoria Hamburg, Heiner Thormählen, gehalten.Aber den Elfer von Giovane Elber, den hätte, wie dieser freimütig zugab, nicht einmal Oliver Kahn aus dem Winkel gekratzt: Unmöglich, das ging doch gar nicht." In Magdeburg aber ging diesmal alles. Vor 26 000 Zuschauern spielte die Mannschaft mindestens wie ein Zweitligist und hatte eine Moral, die an diesem Abend von niemandem hätte gebrochen werden können. Und als die zehn Millionen TV-Zuschauer sahen, wie der 35-jährige Dirk Hannemann den entscheidenden Elfmeter in die Maschen hämmerte, da gab es kein Halten mehr. Hannemann verschwand still und leise aus dem Stadion: "Ich bin fix und fertig. Wenn ich noch ein Bier trinke, dann kippe ich um." MS/sid

Braunschweiger Zeitung vom 03.11.

Magdeburg feierte blau-weißes Wunder

MAGDEBURG (dpa/sid) Nach der Pokal-Sensation gegen den großen FC Bayern München stand FußballMagdeburg Kopf. Während um 0.38 Uhr die Dornier mit einer verstimmten Bayern-Elf an Bord in Richtung München startete, tanzten im VIP-Zelt des Grubestadions die Pokal-Helden ihre Sieger-Polonaise und feierten bis morgens um zwei ausgelassen den Triumph. Noch lange nach Spielschluss fuhren Autos durch Magdeburgs Innenstadt, aus denen Fahnen und Schals in den blau-weißen Vereinsfahnen flatterten. In zahlreichen Gaststätten wurde mit Inbrunst die bekannte FußballHymne angestimmt, in der den Bayern die Lederhosen ausgezogen werden. Magdeburgs Stadtoberhaupt Willi Polte war mit dem Ausgang des Spiels rundherum zufrieden. "Ein immenser Imagegewinn für unsere Stadt", freute sich der Oberbürgermeister. Das sensationelle Ergebnis war zugleich eine Bestätigung für Fußball-Kenner Polte: "Mein Tipp lautet 2:2 in der regulären Spielzeit. Der 1. FCM kommt aber über die Verlängerung, gegebenenfalls nach Elfmeter-Schießen weiter." Er konnte gut damit leben, dass es nach 90 Minuten 1:1 stand. Magdeburgs Trainer-Legende Heinz Krügel strahlte mit den 26 000 Fans um die Wette. "Da wird einem warm ums Herz", sagte der 79-jährige, der 1974 den 1. FCM als Trainer zum Gewinn des Europacups der Pokalsieger führte. Gestern vormittag begann indes für die Pokal-Helden wieder der Ernst des Oberliga-Lebens. Mit schweren Beinen, wenngleich strahlenden Gesichtern absolvierten die Kicker aus Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt ihr Lauftraining, bevor in der Sauna das Siegerbier ausgeschwitzt wurde. Für das Team zahlt sich der Erfolg aus, der Mannschaftsrat hatte vor der Partie eine Siegprämie ausgehandelt. Dabei soll es sich um 100 000 Mark handeln. Die Staatsanwaltschaft muss dagegen nach den Angriffen auf den Mannschaftsbus der Bayern gegen "unbekannt" ermitteln. Beim Einparken am Stadion wurden nach Polizeiangaben aus einer Menschenmenge Flaschen und andere Gegenstände auf den Bus geworfen, dabei gingen die Front- und eine Seitenscheibe zu Bruch.

FAZ vom 03.11.

Freude und Schadenfreude

Da kommt am Sonntag eine feine Auslese in die Lostrommel, wenn in der ARD-Sportschau die acht Begegnungen für die dritte Pokalrunde ermittelt werden. Nur acht Bundesligaklubs haben die ersten beiden Runden überstanden; die Zweite Liga ist auch nur mit fünf Vereinen vertreten. Applaus den Regionalligavereinen Karlsruher SC und Union Berlin, vor allem aber dem in der vierten Spielklasse angesiedelten Oberligaklub 1. FC Magdeburg, der den Profis eine Nase gedreht hat. Dieser Pokal ist eine wahre Pracht. Wie gut, daß es im Fußball auf alles einen passenden Vers gibt. Wäre dies nicht so, hätten nach den Pleiten von Rekordmeister und Rekord-Pokalgewinner Bayern München in Magdeburg oder des Champions-League-Teilnehmers Hamburger SV in Karlsruhe viele Experten erröten müssen. Aber selbst für die Schmach des sichersten Favoriten aus München beim größten Außenseiter aus Magdeburg gibt es ja eine altbekannte "Erklärung": die Formel von der Gesetzmäßigkeit des Pokals. Vor einem Jahr hatte man diese Formel außer Kraft gesetzt. Die ach so strapazierten Profis der an den europäischen Wettbewerben beteiligten Vereine genossen Freizeit während der ersten beiden Runden im Pokal. Erst in der dritten Runde griffen die neun Vereine aus der ersten Hälfte der Bundesliga-Tabelle ein. Eine Fehlentscheidung, der seit 1935 ausgespielte Wettbewerb drohte sanft zu entschlummern. Seit dieser Saison heißt es wieder Pokal total zum Leidwesen der besten Bundesligaklubs. Fünf der gegenwärtig acht deutschen Vertreter in den europäischen Pokal-Wettbewerben sind im nationalen Pokal zu einem Zeitpunkt ausgeschieden, an dem sie vor einem Jahr erst in den Wettbewerb einsteigen durften. Niemand, außer den Betroffenen, bedauert das. Im Gegenteil: Freude und Schadenfreude, wohin das Auge reicht. Den großen Bayern ein Schnippchen geschlagen, da freut sich die ganze Republik mit den Amateuren aus Magdeburg. Der Magdeburger Sieg geht in die Fußballgeschichte ein wie die Pokalsiege von Eppingen und Geislingen 1974 und 1984 über den Hamburger SV In keiner Liga können Triumphe eines Außenseiters jenen Grad des Sensationellen erreichen wie im Pokal. Ebendas schätzt der Fan an dieser Kokurrenz. Es zieht ihn zu den Spielen der Underdogs. Das dokumentieren auch die Zuschauerzahlen. In Magdeburg, aber auch in Hannover, Mönchengladbach und beim FC St. Pauli, drängten sich die Besucher, gelockt von der Hoffnung auf eine Überraschung und von dem finalen Charakter, den jedes Pokalspiel besitzt. Und sie wurden nicht enttäuscht. Selten zuvor hat ein Pokalspieltag derart viele Überraschungen gebracht. Über allen, die am Dienstag und Mittwoch zu Schnippchenjägern wurden, throntenjedoch die Magdeburger, die in der ersten Pokalrunde schon dem 1. FC Köln mit einem 5:2-Sieg den Garaus gemacht hatten. "Wie die Wahnsinnigen" hätten sie am Mittwoch abend gekämpft, lobte Bayern-Manager Uli Hoeneß die Magdeburger Oberligakicker. Diesen Wahnsinn macht so manch ein gestandener Bundesligaprofi für ein Tagessalär um die 10000 Mark nicht mit. Routine allein aber reicht oft nicht, um die "wahnsinnigen Amateure" im Zaum zu halten. Dafür ist die spielerische Qualität der meisten Profis zu gering. Selbst gegen Amateure können sie sich nur mit vollem Engagement behaupten. Wer dann noch mit der zweiten Garnitur die Runde durchlaufen will wie der Hamburger SV bei der Niederlage in Karlsruhe, wer dem Rotationsprinzip frönt wie der FC Bayern München in Magdeburg, handelt schon fahrlässig. Mit der Reserve der Profiklubs nehmen es die Amateure allemal auf. Am Wochenende hat die Reserve wieder Ruh'. In der Bundesliga unterschätzt man eben kei nen Gegner. Rainer Franzke

Hannoversche Allgemeine vom 03.11.
VON NORBERT FETTBACK
Magdeburg.
Für einige der Gedemütigten war hinterher alles halb so schlimm. Mit 3:5 nach Elfmeterschießen hatte Bayern München beim AmateurOberligisten 1. FC Magdeburg verloren und sang- und klanglos die 3. Runde des DFB-Vereinspokals sausen gelassen. Überdies - das rundete das Bild der Ungereimtheiten ab - verpassten die Münchener auch noch den für 23.30 Uhr geplanten Rückflug, weil sie eine Spielverlängerung nicht eingeplant hatten. .,Man kann doch nicht davon reden, dass wir schlecht gespielt haben", sagte BayernTorwart Oliver Kahn, der zudem das Ausscheiden in die Rubrik .,nicht so dramatisch" einordnete. Wer auch ein Auge für das Geschehen am Rande hatte, der dürfte sich Kahns Einschätzung nicht anschließen. Münchens Manager Uli Hoeneß stand schon Mitte der z. Halbzeit, als der Außenseiter durch Ofodile (65.) in Führung gegangen war. wie ein begossener Pudel vor der Bayern-Auswechselbank. Das lag nicht nur am strömenden Regen. Trainer Ottmar Hitzfeld fiel es später schwer, seine Wut zu verbergen. "Ich bin maßlos enttäuscht von der Leistung meiner Mannschaft", sagte er. Man sah ihm dabei an, i wie es in ihm kochte. Bei einer Niederlage. die keinen schert, hätte Hitzfeld auf eine solche Generalkritik verzichten können. Auch wenn der Coach die Frage verneinte, ob die Bayern den Viertligis I ten unterschätzt hätten: Ihr Auftritt wirkte halbherzig und wenig inspiriert und schon gar nicht meisterlich. Das schmälerte den Erfolg des Außenseiters in keiner Weise. 27 000 Zuschauer im maroden Ernst-Grube-Stadion und fast zehn Millionen Fußballfans an den i Fernsehgeräten kamen aus dem Staunen I, über die Auferstehung des 1. FC Magdeburg nicht hinaus. Vor Wochen noch war der Verein von der Insolvenz bedroht und lief Gefahr, nach einem Jahrzehnt der nationalen Bedeutungslosigkeit ganz von der Landkarte des Sports zu ver I schwinden. Seit dem dramatischen Mittwochabend macht der 1. FCM deutschlandweit positive Schlagzeilen. Eberhard Vogel, seit Saisonbeginn Trainer, sprach sogar davon, die Bayern geschlagen zu haben, sei für den Magdeburger Fußball "das Größte seit 1974". Damals hatten Sparwasser, Hoffmann, Seguin und Co. den Europapokal in die Börde geholt, es war der bedeutendste Erfolg einer DDR-Klubmannschaft überhaupt. Wenige Monate später waren die Magdeburger schon in Runde 1 des europäischen Wettbewerbs an den Bayern gescheitert - das haben sie ihnen mit 26 Jahren Verspätung heimgezahlt. Die heutigen Helden heißen Dreszer. Schmidt oder Hannemann. Miroslav Dreszer ist Torwart und zog den Münchenern im Elfmeterschießen den Zahn, als er Schüsse von Jeremies und Elber parierte. Schmidt war erfolgreicher Profi in Dortmund und beim 1. FC Köln, ist inzwischen 33 und spielt in Magdeburg Libero. An ihm kam lediglich Salihamidzic beim zwischenzeitlichen 1:1 (77.) vorbei. Dirk Hannemann, der 1999 bei Hannover 96 auf der Kandidatenliste stand, machte mit seinem Schuss zum 5:3 zu schon fast mitternächtlicher Stunde Magdeburger Träume wahr. Als sich Eberhard Vogel den Fragen der Journalisten stellte, saß die Vergangenheit mit in der 1. Reihe. Heinz Krtigel (79), bis 1976 erfolgreicher Trainer des 1. FC Magdeburg und dann von miss günstigen SED-Oberen auf den Posten eines Platzwartes abgeschoben, genoss den Triumph in vollen Zügen. Es schien, als sei der Sieg über die Bayern für ihn eine späte Genugtuung. Vogel lobte er für dessen "ausgezeichnete Arbeit". Bei Hannover 96 waren dem heute 57-Jährigen fehlende Erfolge zum Verhängnis geworden. Arbeitslosigkeit, Auslandsabenteuer in Togo und Engagements in der 2. Liga folgten. Am Zenit seiner Laufbahn sieht Vogel jetzt wieder Land in Sicht. DFB-Pokalsieger will er nicht unbedingt werden, dafür aber den Aufstieg in die Regionalliga schaffen. Wer mag daran nach diesem tollen Fußballabend noch zweifeln...

 

Letzte Aktualisierung Freitag, 03.11.2000 21:22